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Arbeitsrecht

Coronavirus: Antworten auf arbeitsrechtliche Fragen

Das Coronavirus wirft arbeitsrechtliche Fragen auf: Dürfen Arbeitnehmer aus Angst vor einer Infektion zu Hause bleiben oder angeordnete Dienstreisen verweigern? Welche Reaktion seitens des Dienstgebers ist angemessen und wer übernimmt die Kosten bei behördlich angeordneten Quarantänemaßnahmen? Wir haben für Sie 10 arbeitsrechtliche Fragen & Antworten rund um das Coronavirus zusammengestellt. (Stand 11.3.2020)

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Dürfen Arbeitnehmer zum Schutz vor dem Coronavirus eigenmächtig zu Hause bleiben?

Das Coronavirus setzt das gültige Arbeitsrecht nicht außer Kraft. Die Furcht, sich anstecken zu können, berechtigt Dienstnehmer also nicht dazu, ihrem Arbeitsplatz fern zu bleiben. Erscheint ein Arbeitnehmer dennoch nicht zur Arbeit, gilt dies als Verletzung der Dienstpflichten, die eine Abmahnung oder sogar eine Entlassung zur Folge haben kann. Ein Fernbleiben vom Arbeitsplatz könnte nur dann gerechtfertigt sein, wenn eine objektiv nachvollziehbare Gefahr besteht, sich bei der Arbeit mit dem Virus anzustecken. Dies ist dann gegeben, wenn es im unmittelbaren Arbeitsumfeld bereits zu einer Ansteckung mit dem Virus gekommen ist. Das gilt aber nicht für Arbeitnehmer, die berufsmäßig mit Krankheiten regelmäßig zu tun haben, wie etwa in Spitälern oder Apotheken.

Wenn der Arbeitnehmer hingegen aufgrund von behördlichen Maßnahmen nicht zum Arbeitsplatz gelangen kann, ohne gegen diese Anordnung zu verstoßen, handelt es sich dabei um eine gerechtfertigte Abwesenheit vom Arbeitsplatz mit einer Entgeltfortzahlung für die Dauer der behördlichen Anordnung durch den Arbeitgeber. Der Dienstnehmer muss seine Verhinderung seinem Arbeitgeber unverzüglich melden. Der Bund hat dem Arbeitgeber das geleistete Entgelt zu ersetzen. 

 

Kann der Dienstgeber die Arbeit von zu Hause aus anordnen?

Befindet sich im Arbeitsvertrag bereits eine entsprechende Vereinbarung zu Telearbeit oder eine Versetzungsklausel, wonach der Arbeitnehmer auch ohne seine Zustimmung an einen anderen Ort versetzt werden kann, so ist eine Anordnung von Telearbeit durch den Arbeitgeber möglich. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, Telearbeit zwischen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber zu vereinbaren.

Der Arbeitgeber muss dann aber unter Umständen entstehende Kosten übernehmen (beispielsweise für Handy oder Internet).

 

Bekommen Arbeitnehmer weiterhin Gehalt, wenn sie unter Quarantäne gestellt werden?

Die zuständigen Behörden können zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten Maßnahmen setzen und Arbeitnehmer beispielsweise unter Beobachtung oder Quarantäne stellen. Die Entgeltfortzahlung in solchen Fällen ist im Epidemiegesetz § 32 Abs. 3 geregelt: demnach ist die Vergütung, das regelmäßige Entgelt im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes, zu bemessen und muss trotz Quarantäne und Ausfall der Arbeitsleistung weiterbezahlt werden. Dies gilt auch, falls ganze Betriebe unter Quarantäne gestellt werden sollten. Dasselbe gilt auch bei verpflichtender Entgeltfortzahlung im Fall behördlicher Anhaltungen oder bei Verkehrsbeschränkungen von Arbeitnehmern. Für den Dienstgeber besteht aber die Möglichkeit, für diese Vergütung einen Kostenersatz beim Bund zu beantragen. Der Arbeitgeber hat ebenfalls einen Anspruch auf die Erstattung der darauf entfallenden Dienstgeberanteile zur Sozialversicherung (und einen eventuellen Zuschlag nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz). Um den Anspruch geltend zu machen, ist innerhalb von 6 Wochen ein Antrag bei der Bezirksverwaltungsbehörde zu stellen. Die Frist läuft vom Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen an, in deren Bereich die Maßnahmen getroffen wurden.

Eine Isolation in Quarantäne wird als reine Vorsichtsmaßnahme angesehen und zählt daher arbeitsrechtlich zu den sonstigen Dienstverhinderungsgründen. Erst wenn tatsächlich feststeht, dass eine Erkrankung (mit Krankschreibung) vorliegt, handelt es sich um einen Krankenstand. 

 

Bekommen Unternehmer eine Entschädigung, wenn ihr Betrieb vorübergehend schließen muss?

Wenn es sich um eine Betriebsschließung nach § 20 Epidemiegesetz 1950 handelt, besteht ein Anspruch auf Vergütung des dadurch entstandenen Vermögensnachteils (Verdienstentgangs) nach § 32 Abs. 1 Z 5 Epidemiegesetz. Wenn Gegenstände vernichtet oder durch eine behördliche Desinfektion beschädigt wurden, steht dem Unternehmer ebenfalls eine Entschädigung zu.

Der Entschädigungsanspruch ist binnen sechs Wochen (§ 32 Epidemiegesetz 1950) vom Tage der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Bereich diese Maßnahmen getroffen wurden, geltend zu machen, widrigenfalls erlischt der Anspruch. In Wien erfolgt die Abwicklung der Entschädigung durch den Fachbereich Gesundheitsrecht der MA 40. [Ergänzung zum 23.3.2020:] Fristen haben möglicherweise bereits zu laufen begonnen – bitte beachten Sie, dass die derzeitige Fristunterbrechung hier nicht wirkt.

Hier erfahren Sie mehr über die Dokumentation rund um Entschädigungsansprüche.

Kontaktieren Sie unseren Sachverständigen für Entschädigungsberechnung

 

Wie können Arbeitgeber ihr wirtschaftliches Risiko minimieren?

Wenn durch eine Epidemie Aufträge oder Umsätze längerfristig einbrechen, müssen Unternehmer reagieren und Kosten reduzieren. Diese Maßnahmen bieten sich an:

  • Insourcing: Wiedereingliederung von ausgelagerten Prozessen in das Unternehmen
  • Überstunden und Mehrarbeit vermeiden
  • Vereinbarungen über den Abbau von Zeitguthaben treffen
  • Urlaubsvereinbarungen treffen
  • (befristete) Reduktion der Arbeitszeit (Teilzeit) vereinbaren
  • unbezahlten Urlaub oder Bildungskarenz in Betracht ziehen
  • Kurzarbeit
  • Maßnahmen zur Verringerung des Personalstands treffen 

Kann Kurzarbeit kurzfristig veranlasst werden?

Unter Kurzarbeit versteht man die befristete (zeitlich begrenzte) Herabsetzung der Normalarbeitszeit auf Grundlage einer arbeits- und lohnrechtlichen Vereinbarung. Kurzarbeitslösungen können aber nicht kurzfristig getroffen werden, sondern bedürfen einer speziellen Sozialpartnervereinbarung zwischen Wirtschaftskammer und Gewerkschaft sowie der Kontaktaufnahme mit dem AMS. Zudem muss noch eine Betriebsvereinbarung vorliegen. In Betrieben ohne Betriebsrat müssen Einzelvereinbarungen mit den Arbeitnehmern geschlossen werden.

Wäre Kurzarbeit bei einer Epidemie auch ohne Sozialpartnereinigung möglich? 

Im Fall einer Epidemie kann auf die Sozialpartnereinigung nicht verzichtet werden. Dies ist gem. § 37b Abs. 2 AMSG nur bei Schadensereignissen möglich, von denen lediglich einzelne Unternehmen betroffen sind, wie z.B. Naturkatastrophen.

Besteht bei Lieferausfällen eine Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers? 

Kommt es aufgrund von Lieferausfällen zum Produktionsstillstand, besteht nach ständiger Rechtsprechung eine Entgeltfortzahlungspflicht des Dienstgebers. Betriebsstörungen, die durch einen Mangel an Werkstoffen oder Energie hervorgerufen werden, sind dem Verantwortungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen. Dies gilt auch für das erhöhte Risiko der just-in-time-Produktion.

 

Darf der Arbeitgeber Dienstreisen in betroffene Gebiete anordnen?

Ob der Arbeitnehmer zu Dienstreisen verpflichtet ist und falls ja, in welche Gebiete, ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag. Existiert allerdings eine offizielle Reisewarnung des Außenministeriums, darf der Dienstnehmer die Dienstreise verweigern, ohne arbeitsrechtliche Sanktionen befürchten zu müssen. Eine regelmäßige Überprüfung aktueller Reisewarnungen des Außenministeriums ist zu empfehlen.

 

Der Arbeitnehmer möchte privat in ein Risikogebiet reisen. Darf der Dienstgeber die Reise untersagen?

Was Arbeitnehmer in ihrer Freizeit unternehmen, ist ihre Privatsache. Hier darf der Arbeitgeber nicht in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eingreifen und eine Reise in ein Risikogebiet verbieten. Erkrankt der Dienstnehmer aber nachfolgend am Coronavirus, könnte der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung verweigern, weil der Dienstnehmer grob fahrlässig gehandelt hat. 

Reisewarnungen des Außenministeriums müssen also auch vom Arbeitnehmer beachtet werden.

 

Muss der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber mitteilen, dass er an dem Virus erkrankt ist?

Der Arbeitnehmer muss seine Infektion dem Arbeitgeber jedenfalls sofort mitteilen. Ebenso muss er bekanntgeben, ob er unter Quarantäne gestellt wurde (Absonderung gem. § 7 und § 17 Epidemiegesetz). So kann der Arbeitgeber einerseits die entsprechenden Vorkehrungen am Arbeitsplatz zum Schutz von anderen Mitarbeitern, von Kunden und sich selbst treffen (Treuepflicht des Arbeitnehmers). Andererseits ist die Bekanntgabe an den Arbeitgeber auch deshalb notwendig, damit dieser den Rückforderungsanspruch gegenüber der Behörde fristgerecht geltend machen kann. 

 

Kindergarten oder Schule bleibt wegen des Coronavirus geschlossen: Dürfen Arbeitnehmer zu Hause bleiben?

Dies ist zu bejahen, wenn und solange die Betreuung des Kindes vor allem aufgrund seines Alters notwendig ist. Der Arbeitnehmer ist damit aufgrund seiner familiären Verpflichtung berechtigt, von der Arbeit fernzubleiben und hat Anspruch auf eine Entgeltfortzahlung im Ausmaß einer kurzen Zeit (eine Woche, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen bis zu zwei Wochen).

 

Präventivmaßnahmen: Was können Arbeitgeber unternehmen?

In Betrieben mit Kundenverkehr in Gebieten mit einer tatsächlichen Ansteckungsgefahr ist der Arbeitgeber verpflichtet, zweckmäßige und geeignete Maßnahmen zur Minimierung der Ansteckungsgefahr zu setzen, um die Arbeitnehmer vor Infektionen zu schützen. Dazu gehören beispielsweise die Bereitstellung von Desinfektionsmitteln und die Aufklärung über richtiges Hygieneverhalten, wie z.B.:

  • Täglich mehrmals Händewaschen mit Wasser und Seife oder einem alkoholhaltigen Desinfektionsmittel;
  • Bedecken von Mund und Nase mit einem Papiertaschentuch (nicht mit den Händen), bei Husten oder Niesen
  • Kein Händeschütteln.
  • Vermeidung des Kontakts zu kranken Menschen. 

 

Fazit: Eine Epidemie setzt geltendes Arbeitsrecht nicht außer Kraft. Arbeitgeber sind gut beraten, die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zum Schutz ihrer Mitarbeiter vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu ergreifen. Umgekehrt müssen sich die Arbeitnehmer an die Weisungen des Arbeitgebers halten und die vom Arbeitgeber vorgegebenen Schutzmaßnahmen beachten.

 

Aktuelle weiterführende Informationen finden Sie beim

Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz