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Das Omnibus I Paket: Veränderungen an ESG-Berichtserstattung

Von:
Timo Goßler
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Am 26.02.2025 hat die EU-Kommission den „Clean Industrial Deal“ und das „Omnibus I Paket“ vorgestellt. Während der „Clean Industrial Deal“ Dekarbonisierung und Kreislaufwirtschaft beschleunigen soll, schlägt „Omnibus I“ weitreichende Änderungen an CSRD, EU-Taxonomie und CSDDD vor. Wir erläutern die wichtigsten Änderungsvorschläge, die Wahrscheinlichkeit ihrer Umsetzung und mögliche Handlungsoptionen für Unternehmen.
INHALTE

Am 26. Februar gab es zwei zentrale Ankündigungen der EU-Kommission zur Konkretisierung des „EU Competitiveness Compass“: Einerseits den „Clean Industrial Deal“, andererseits „Omnibus I“. Wir behandeln in diesem Beitrag die Vorschläge im Rahmen von „Omnibus I“. Der „Clean Industrial Deal“ betont Dekarbonisierung und Kreislaufwirtschaft als wichtige wirtschaftliche Prioritäten für die nächsten Jahre – wir erläutern die Details in diesem Beitrag. Wenn Unternehmen ihren Umgang mit den Vorschlägen von „Omnibus I“ planen, sollten sie dies deshalb in jedem Fall vor dem Hintergrund des „Clean Industrial Deal“ tun.

1. Was sind die zentralen Änderungsvorschläge von „Omnibus I“? 

Der Vorschlag sieht folgende zentrale Änderungen vor:

  1. Eine Reduktion des Anwenderkreises: 
    • Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD): Unternehmen mit > 1.000 Mitarbeitenden
    • EU-Taxonomie Verordnung: Unternehmen mit > 1.000 Mitarbeitenden und > EUR 450 Mio. Umsatz
  2. Eine Verschiebung der Anwendung:
    • CSRD und EU-Taxonomie Verordnung: Um 2 Jahre für Nicht-PIE Unternehmen (PIE = Unternehmen öffentlichen Interesses)
    • Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD): Um 1 Jahr für Unternehmen mit > 5.000 Mitarbeitenden und > EUR 1.500 Mio. Umsatz  
  3. Inhaltliche Anpassungen an CSRD, EU-Taxonomie Verordnung und CSDDD:
    • CSRD: Vereinfachung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) und keine Einführung von Sektorstandards  
    • EU-Taxonomie Verordnung: Einführung einer Wesentlichkeitsschwelle, Vereinfachung der Berichtstemplates und Vereinfachung der Do-No-Significant-Harm-Kriterien
    • CSDDD: Fokussierung der Sorgfaltspflicht auf direkte Geschäftspartner und Ausdehnung der vorgeschriebenen Intervalle für Überprüfungen (5 Jahre statt 1 Jahr)
  4. Einführung eines gesetzlichen „Value Chain Caps“, der über einen festzulegenden Standard hinausgehende ESG-Daten-Anfragen bei Geschäftspartner mit < 1.000 Mitarbeitenden verbietet 

Durch Omnibus I werden auch Änderungen am Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) vorgeschlagen, die wir an dieser Stelle nicht im Detail behandeln.

2. Werden die vorgeschlagenen Änderungen sicher umgesetzt? 

Die klare Antwortet lautet „Nein“. Es stehen etliche Monate Rechtsunsicherheit bevor.

Die EU-Kommission besitzt für wichtige Teile der vorgeschlagenen Änderungen lediglich ein Vorschlagsrecht. Die endgültige Entscheidung liegt beim EU-Parlament und beim Rat der Europäischen Union, die sich nun mit den Änderungsvorschlägen befassen müssen. Bisher gab es, im Kontext von ESG, fast immer inhaltliche Änderungen an den Vorschlägen der EU-Kommission. Eine grundsätzliche Zustimmung von Parlament und Rat zu einer Vereinfachung kann als nahezu gesichert angenommen werden. Die Details werden aber definitiv Gegenstand von intensiven Diskussionen.  

Die Intensivität der Diskussionen wird dabei unter anderem durch folgende Aspekte getrieben werden: 

  • Clean Industrial Deal: Zeitgleich mit Omnibus I wurde auch der „Clean Industrial Deal“ vorgestellt (siehe unser Beitrag hier), der Dekarbonisierung und Kreislaufwirtschaft zu wichtigen Prioritäten für die nächsten Jahre macht. Es kann somit keineswegs von einer Abkehr der EU vom Weg des EU Green Deal gesprochen werden.  
  • Globaler Kontext: Etliche große Länder wie Kanada, Australien oder Brasilien haben ebenfalls gesetzliche Anforderungen zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung eingeführt. Das Thema kann deshalb nicht als „EU-Sonderweg“ verstanden werden.
  • Forderungen der Finanzindustrie: Wichtige Akteur der Finanzindustrie (z.B. die Europäische Finanzmarktaufsicht) haben sich zuletzt deutlich gegen eine Aufweichung der Berichtspflicht ausgesprochen (aufgrund von systemischen Risiken).
  • Nationale Gesetzgebungsverfahren: In vielen EU-Ländern ist die CSRD geltendes nationales Recht. Es stellt sich hier zum Beispiel die Frage, ob EU-Gesetzgebung UND nationale Gesetzgebung schnell genug angepasst werden können, um eine faktische Berichtspflicht für 2025 noch zu verhindern. Auch besteht die Möglichkeit, dass einzelne Mitgliedsstaaten die Begrenzung des Anwenderkreises und eine Verschiebung der Berichtspflichten national anders umsetzen.
  • Wettbewerbsüberlegungen: Da für den Großteil von der aktuellen CSRD betroffenen Unternehmen die Berichtspflicht seit 01.01.2025 besteht, haben europaweit zahlreiche Unternehmen hohe Aufwände getätigt, um die gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Diese Unternehmen dürften nicht benachteiligt werden gegenüber Unternehmen, welche die Anforderungen bislang mangelhaft umgesetzt haben.  
  • Branchenforderungen: Die neuen Regeln bevorzugen bzw. benachteiligen teilweise fast schon systematisch gewisse Branchen: Zum Beispiel wären Sozialorganisationen tendenziell weiter verpflichtet (da häufig geringere Umsätze und höhere Zahl von Mitarbeitenden), während Immobilienkonzerne tendenziell aus der Verpflichtung fallen würden (da oftmals geringere Anzahl von Mitarbeitenden) 

Um das Ausmaß der Rechtsunsicherheit zu reduzieren hat die EU-Kommission die zeitliche Verschiebung der Berichtspflichten von den restlichen Änderungsvorschlägen getrennt in einer eigenen Änderungsrichtlinie vorgeschlagen. Unter dem Schlagwort „stop the clock“ soll dieser Vorschlag priorisiert von Parlament und Rat behandelt werden, um zumindest für 2025 schnellstmöglich Sicherheit zu schaffen. Inwiefern das auch erfolgreich sein wird, kann aktuell nicht seriös beantwortet werden. Ein Zeitraum von 4-6 Monaten wäre in diesem Kontext als „schnell“ zu verstehen.

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die inhaltlichen Änderungsvorschläge zu ESRS und EU-Taxonomie Verordnung im Rahmen von delegierten Rechtsakten allein durch die EU-Kommission, ohne die Zustimmung von Parlament und Rat, erfolgen können. Die EU-Kommission hat aber bereits angekündigt, dass Änderungen an den ESRS erst in etlichen Monaten beschlossen werden können. Der Weg für die inhaltlichen Änderungen an der EU-Taxonomie Verordnung könnte dagegen kürzer sein.  

3. Wie sehen die Änderungsvorschläge im Detail aus? 

3.1 Welche Unternehmen wären, ab wann, von welcher Verpflichtung betroffen? 

Der Vorschlag versucht die Anforderungskriterien für CSRD, EU-Taxonomie Verordnung und CSDDD zu harmonisieren. Dennoch bestehen weiterhin Unterschiede:  

  • CSRD:

a. Berichtspflicht für Unternehmen mit > 1.000 Mitarbeitenden und entweder > EUR 25 Mio. Bilanzsumme oder > EUR 50 Mio. Umsatz (ab 2024 für Unternehmen öffentlichen Interesses (PIE) und ab 2027 für Nicht-PIE)
b. Sonderfall: PIE mit 500 – 1.000 Mitarbeitenden sollen für 2024 berichten müssen, aber nicht mehr für 2025

  • EU-Taxonomie Verordnung:

c. Berichtspflicht für Unternehmen mit > 1.000 Mitarbeitenden und > EUR 450 Mio. Umsatz (ab 2021 für PIE und ab 2027 für Nicht-PIE)
d. Sonderfall: PIE mit 500 – 1.000 Mitarbeitenden oder mit EUR 50 Mio. – EUR 450 Mio. Umsatz sollen für 2021 – 2024 berichten müssen, aber nicht mehr für 2025 

  • CSDDD:

e. Pflicht für Unternehmen mit > 1.000 Mitarbeitenden und > EUR 450 Mio. Umsatz, mit gestaffelter Einführung:

i: Anwendungspflicht ab 2028 für Unternehmen mit > 3.000 Mitarbeitenden und > EUR 900 Mio. Umsatz (erste Berichtspflicht in 2030)
ii: Anwendungspflicht ab 2029 für restliche Unternehmen (erste Berichtspflicht in 2031) 

Auch für die Berichtspflicht von Drittlandunternehmen werden Änderungen vorgeschlagen (u.a. eine Erhöhung des Grenzwerts für den Umsatz von EUR 150 Mio. auf EUR 450 Mio.).  

3.2 Was soll sich inhaltlich an der Nachhaltigkeitsberichtserstattung von Unternehmen im Vergleich zu den aktuellen Vorschriften verändern? 

Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sollen überarbeitet werden. Konkrete Änderungen sollen im Rahmen eines delegierten Rechtsakts erlassen werden. Dies muss spätestens 6 Monate nach Inkrafttreten der Änderungsrichtlinien zur CSRD erfolgen. Dementsprechend wird es noch viele Monate dauern, bis die inhaltlichen Änderungen feststehen. Angedacht sind folgende Kategorien von Änderungen: 

  • Vereinfachung der Darstellung und Struktur der Anforderungen
  • Klarstellungen zum Konzept der Wesentlichkeit, um weiter zu fördern, dass nur wesentliche Datenpunkte berichtet werden
  • Entfernung von Datenpunkten und nochmals erweiterte Unterscheidung von freiwilligen und verpflichtenden Datenpunkten
  • Priorisierung von quantitativen Kennzahlen gegenüber qualitativen bzw. narrativen Offenlegungen  

Auch die Offenlegungsanforderungen gemäß EU-Taxonomie Verordnung sollen vereinfacht werden. Unter anderem werden folgende Veränderungen vorgeschlagen: 

  • Vereinfachung der Meldebögen (70 % Reduktion von Angaben)
  • Einführung einer Wesentlichkeitsschwelle. Nicht mehr berichtspflichtig sollen sein:
    • Wirtschaftstätigkeiten, die weniger als 10 % der Gesamtumsätze oder Gesamt-CAPEX ausmachen
    • OPEX von Wirtschaftstätigkeiten, die weniger als 25 % der Gesamtumsätze ausmachen
  • Vereinfachung gewisser Do-No-Significant-Harm Kriterien
  • Vereinfachung des Green Asset Ratio (GAR) von Banken, indem Unternehmen mit < 1.000 Mitarbeitenden nicht mehr berücksichtigt werden 

Über die inhaltlichen Änderungen bei ESRS und EU-Taxonomie Verordnung hinaus wird vorgeschlagen, auch in der Zukunft keine Ausweitung der Prüfsicherheit von begrenzter zu hinreichender Sicherheit einzuführen.

3.3 In welcher Weise sollen sich die Anforderungen durch die CSDDD verändern? 

Auch die Anforderungen der CSDDD sollen reduziert werden. Dabei stehen vor allem folgende Vorschläge im Vordergrund:  

  • Sorgfaltspflichten gegenüber indirekten Geschäftspartner sollen nur noch dann bestehen, wenn es plausible Hinweise auf negative Auswirkungen gibt. Es wird aber gleichzeitig vorgeschlagen, dass Unternehmen sich von ihren direkten Geschäftspartner vertragliche Zusicherungen einholen müssen, die sicherstellen, dass sich diese Unternehmen wiederum von ihren Geschäftspartner:innen die Einhaltung eines Verhaltenskodex vertraglich zusichern lassen.  
  • Risikoanalysen sollen nur noch alle 5 Jahre (anstatt jährlich) und anlassbezogen durchgeführt werden müssen  
  • die Verpflichtung zur Beendigung von Geschäftsbeziehung als „last resort“ Maßnahme sollen entfernt werden
  • EU-weit harmonisierte Vorschriften zur zivilrechtlichen Haftung sollen entfernt und das Strafregime soll durch nationale Aufsichtsbehörden festgelegt werden 

3.4 Was bedeutet die vorgeschlagene Einführung eines VSME-Standards als „Value Chain Cap“?

Ziel des Vorschlags der EU-Kommission ist es, den sogenannten „Trickle-Down“-Effekt weiter zu reduzieren. Es soll vermieden werden, dass CSRD- oder CSDDD-pflichtige Unternehmen mit ihren Anfragen bei Geschäftspartner indirekt umfangreiche Berichtspflichten für kleinere Unternehmen verursachen, die eigentlich nicht CSRD- oder CSDDD-pflichtig wären (d.h. insbesondere für Unternehmen mit < 1.000 Mitarbeitenden)

Deshalb soll ein weiterer Berichtstandard, der auf dem von der EFRAG entwickelten VSME-Standard (Voluntary Standard for Small- and Medium-Sized Enterprises) basiert, offiziell durch einen delegierten Rechtsakt von der EU-Kommission erlassen werden.Unternehmen, die den CSRD- und CSDDD-Pflichten unterliegen, soll es dann verboten werden, von ihren Geschäftspartner Informationen abzufragen, die über diesen neuen Standard hinausgehen.  

Eine Ausnahme von dieser einschränkenden Regel soll dann bestehen, wenn  

  • es sich um Informationen handelt, die üblicherweise zwischen Unternehmen des Sektors ausgetauscht werden, oder
  • wenn es sich um ein Thema handelt, das vom neuen Standard nicht abgedeckt wird 

Diese Ausnahmen von den grundsätzlichen Regeln öffnen de facto doch wieder alle Türen für Informationsanfragen. Die Sinnhaftigkeit der vorgeschlagenen Änderungen wird deshalb sicher kritisch diskutiert werden müssen. 

4. Unsere Einschätzung: Wie sollten Unternehmen mit dem Vorschlägen umgehen?

Grundsätzlich ist vor dem Hintergrund des „Clean Industrial Deal“ festzuhalten, dass die EU die Transformation zu einer nachhaltigeren Wirtschaft weiter vorantreiben möchte. Unternehmen sollten ihr Vorgehen zur Nachhaltigkeitsberichtserstattung deshalb nicht nur an gesetzlichen Berichtsverpflichtungen orientieren, sondern auch grundsätzliche Anforderungen und Entwicklungen im Geschäftsumfeld einbeziehen (siehe auch obenstehende Hinweise der Finanzmarktaufsicht)

Derzeit veröffentlichen in der ersten Berichtswelle (zum 31.12.2024) Unternehmen CSRD-Berichte, die bereits zuvor etliche Jahre Nachhaltigkeitsberichte gemäß der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) erstellt hatten. Ausnahmslos alle dieser Unternehmen berichten von immensen Anstrengungen und (finanziellen) Aufwänden für die zeitgerechte Umsetzung.  

Wir beobachten gleichzeitig, dass viele der seit 01.01.2025 CSRD-pflichtigen Unternehmen äußerst weit von einer konformen Umsetzung entfernt sind. Etliche Unternehmen haben zum Beispiel noch nicht identifiziert, welche Daten sie seit Anfang des Jahres erheben sollten, und haben noch keine angemessenen Erhebungsprozesse implementiert. Ein zeitlicher Aufschub der Berichtspflichten ist deshalb ein wichtiger Vorschlag, der aber auf keinen Fall als Signal zur „Pause“ verstanden werden darf. Für eine prüfsichere Umsetzung sollten 2 Jahre Vorlaufzeit eingeplant werden. Falls (!) eine Verschiebung beschlossen werden sollte, ist es definitiv möglich, dass diese nur 1 Jahr beträgt. Nur sehr wenige Mitgliedsstaaten haben in den letzten Wochen eine 2-jährige Verschiebung befürwortet. Klarheit wird erst in vielen Monaten bestehen. Diese Zeit für eine konforme Umsetzung sollte nicht verloren werden.  

Hinsichtlich einer möglichen Aufhebung von Berichtspflichten für gewisse Unternehmen sollten gerade Unternehmen im Bereich von 500-1.000 Mitarbeitenden die Vorschläge sehr vorsichtig diskutieren. Es gibt etliche Indikationen, dass ein am Ende beschlossener Grenzwert niedriger liegt als der von der Kommission jetzt vorgeschlagene.

Viele der  vorgeschlagenen Änderungen zur EU-Taxonomie Verordnung erscheinen nicht nur objektiv sinnvoll, sondern wurden bereits in der Vergangenheit  von zahlreichen Interessensträgern gefordert (z.B. Wesentlichkeitsschwelle). Die Berücksichtigung der neuen Vorschläge für die weitere Umsetzung könnte deshalb ratsam sein.  

Bei den ESRS ist die Situation schwieriger, da die Detailvorschläge noch nicht bekannt sind. In diesem Fall könnte es sinnvoll sein, die zentralen Offenlegungsthemen weiter voranzutreiben (z.B. Treibhausgas-Bilanzierung). Gleichzeitig sollten einzelne, komplex erscheinende Datenpunkte zunächst mit geringerer Priorität behandelt werden, bis Klarheit über die Anpassungen an den Berichtsstandards besteht. 
 
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