Corona

Obergrenzenrichtlinie zur Umwidmung bei Überschreitung von Covid-19-Beihilfen

Von:
Mariella Datzreiter
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Die am 19. Juni 2024 kundgemachte „Obergrenzenrichtlinie“ soll sicherstellen, dass Covid-19-Förderungen, die die festgelegten Höchstbeträge überschreiten, beihilfenkonform umgewidmet werden können. Hintergrund ist, dass Österreich die Obergrenzen auf einzelne Unternehmen anstatt auf Unternehmensgruppen angewendet hat. Ein entsprechender Umwidmungsantrag kann bis zum 31. Oktober 2024 gestellt werden.
Inhalt

Hintergrund

Zur Abmilderung der Auswirkungen der Covid-Pandemie bestanden für den Zeitraum vom 30. September 2021 bis 31. März 2022 verschiedene Beihilfeninstrumente (Umsatzersatz, Ausfallsbonus, Fixkostenzuschuss 800.000 sowie Verlustersatz). Die Beihilfen konnten auf Basis der bisherigen Rechtslage in Österreich für jedes Unternehmen individuell beantragt werden, wobei die geltenden Obergrenzen als Obergrenzen je Unternehmen gehandhabt wurden. Für die Beihilfeninstrumente Umsatzersatz, Ausfallbonus sowie Fixkostenzuschuss 800.000 stand insgesamt ein Maximalbetrag von EUR  2,3 Mio. zur Verfügung (Obergrenze 1). Für die Beihilfeninstrumente Verlustersatz I bis III stand insgesamt ein Maximalbetrag von EUR 12 Mio. (Obergrenze 2) zur Verfügung.

Österreich musste die Ausgestaltung der Beihilfen nachträglich sanieren, da im Sinn des EU-Beihilfenrechts nicht das individuelle Unternehmen, sondern der Unternehmensverbund gesamthaft zu betrachten ist und daher die Beihilfen die beiden Obergrenzen im gesamten Unternehmensverbund nicht übersteigen dürfen. 

Die Obergrenzenrichtlinie regelt einerseits Maßnahmen zur Überprüfung der beantragten und/oder ausbezahlten Beihilfen im Unternehmensverbund. Andererseits regelt sie auch die Umwidmung von Beihilfen, die einem/einer Antragsteller:in bei Überschreitung einer Obergrenze gewährt wurden oder beantragt aber nicht gewährt wurden, weil diese zu einer Überschreitung zumindest einer der beiden Obergrenzen innerhalb eines Unternehmensverbundes geführt hätten. Ferner sahen die nationalen Förderrichtlinien für den Verlustersatz III sowie den Ausfallbonus (Antragsmonat März 2022) eine Antragstellung nach dem 30. Juni 2022 vor, was nicht im Einklang mit dem EU-Beihilfenrecht stand. Auch für diese zu spät beantragten Beihilfen im Unternehmensverbund, sieht die Obergrenzenrichtlinie eine Reparatur vor, wobei hier auf eine sinngemäße Anwendung der Spätantragsrichtlinie verwiesen wird. 

Verlustersatz III und Ausfallsbonus III: Spätantragsrichtlinie für Sanierung veröffentlicht
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Verlustersatz III und Ausfallsbonus III: Spätantragsrichtlinie für Sanierung veröffentlicht
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Umwidmungsmöglichkeiten

Beihilfen, die eine oder beide Obergrenzen im Unternehmensverbund überschritten haben, können hinsichtlich des Überschreitungsbetrages in einen Verlustersatz, einen Schadensausgleich oder eine De-minimis-Beihilfe umgewidmet werden, wobei die Umwidmung in der genannten Reihenfolge zu erfolgen hat. Eine Umwidmung in einen Schaden kann nur erfolgen, wenn und insoweit feststeht, dass eine Umwidmung in einen Verlustersatz nicht möglich ist (z.B. es liegen keine Verluste vor oderder im Unternehmensverbund beantragte Verlustersatz übersteigt EUR 12 Mio.). Eine Umwidmung in eine De-minimis-Beihilfe wiederum kann nur erfolgen, wenn weder eine Umwidmung in einen Verlustersatz noch eine Umwidmung in einen Schadenausgleich möglich ist. 

Durch die Obergrenzenrichtlinie können nur Beihilfen gewährt werden, die bereits nach den jeweils maßgebenden Richtlinien der ursprünglichen Beihilfeninstrumente beantragt wurden und die jeweiligen Fördervoraussetzungen erfüllen. Es können daher auch im Schadensausgleich keine höherer Beihilfen geltend gemacht werden.

Umwidmung in einen Verlustersatz

Voraussetzung für die Umwidmung in einen Verlustersatz ist, dass im Unternehmensverbund die Obergrenze von EUR 12 Mio. nicht überschritten wurde, zumindest ein Unternehmen des Unternehmensverbundes einen Antrag auf Verlustersatz gestellt hat und im Unternehmensverbund ein Mindestumsatzrückgang (wie in den Richtlinien für den Verlustersatz vorgesehen) vorliegt.

Der Verlust im Sinne der Obergrenzenrichtlinie ist auf Ebene des Unternehmensverbundes (konsolidierter Verlust des Unternehmensverbundes) für einen oder mehrere Betrachtungszeiträume zu ermitteln, wobei der Verlust im Sinne der Regelungen der seinerzeitigen Richtlinien für den Verlustersatz zu ermitteln ist. Der Verlust ist zunächst um sämtliche Drittbeihilfen zu bereinigen und ist im Vergleich zum Ergebnis, das im entsprechenden Vergleichszeitraum in 2019 erzielt wurde, zu setzen. Danach sind wiederum jene Drittbeihilfen in Abzug zu bringen, die nicht in Überschreitung einer Obergrenze ausbezahlt wurden (z.B. werden Beihilfen, die unter die Obergrenze 1 fallen bis zur Höhe von Mio. EUR 2,3  in Abzug gebracht bzw. werden Beihilfen iZm dem Verlustersatz I bis III bis zur Höhe von  EUR 12 Mio. in Abzug gebracht). Vom so ermittelten Verlust nach Abzug der vorgenannten Beihilfenbeträgen werden in der Regel 70 % errechnet und stellen den sogenannte „maßgebenden Verlust“ dar.

Es können zwischen 16. September 2020 und 31. März 2022 ein oder mehrere Betrachtungszeiträume gewählt werden, die nicht zusammenhängen müssen.

Der Verlustersatzbetrag ist einerseits mit dem ermittelten maßgebenden Verlust und andererseits durch die Höhe der ursprünglich beantragten Beihilfen begrenzt. Die Umwidmung in einen Verlustersatz ist nur bis zur Höhe von EUR 12 Mio. möglich. Darüberhinausgehende Umwidmungsbeträge sind über einen Schadensausgleich geltend zu machen.

Umwidmung in einen Schadensausgleich

Die Geltendmachung als Schadensausgleich wird nur in den seltensten Fällen möglich sein, da in den gewählten Betrachtungszeiträumen eine Betroffenheit vorliegen muss. Betroffenheit liegt in folgenden Fällen vor:

  • Direkte Betroffenheit: Eine Lockdown-Maßnahmen führte de iure oder de facto zur Einstellung des Geschäftsbetriebes, der wirtschaftlichen Tätigkeit oder eines konkret abtrennbaren Teils der Tätigkeit. 

  • Indirekte Betroffenheit: Das Unternehmen erzielt nachweißlich und regelmäßig mindestens 80 % des Umsatzes mit Unternehmen, die direkt von Lockdown-Maßnahmen betroffen waren.

  • Reisbüros, Reiseveranstalter oder Seilbahnunternehmen, die auf Grund von Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie in Bezug auf den Reiseverkehr einen Umsatzeinbruch von zumindest 80 % zum Vergleichszeitraum erlitten. Antragsteller müssen bestätigen und auf Verlangen nachweisen, dass für Destinationen, denen sich der geltend gemachte Schaden zuordnen lässt, Lockdown-Maßnahmen, Reiseverbote oder Reisewarnungen bestanden. 

Im Unterschied zum maßgebenden Verlust wird der maßgebende Schaden nicht auf Ebene des Unternehmensverbundes ermittelt, sondern stellt die Summe der Schäden der einzelnen jeweils betroffenen Unternehmen dar. Der Schaden je Unternehmen ermittelt sich als Differenz des Ergebnisses in einem Betrachtungszeitraum im Vergleich zum Ergebnis des jeweiligen Vergleichszeitraums in 2019 (gekürzt um 5%). Die Ergebnisse sind nach den Bestimmungen der Richtlinie über den Verlustersatz zu ermitteln. 

Als mögliche Betrachtungszeiträume für die Ermittlung der Schäden können mehrere Zeiträume zwischen 16. März 2020 und 31. März 2022 gewählt werden. 

Der Schadensausgleich ist einerseits mit dem ermittelten maßgebenden Schaden und andererseits mit der Höhe der ursprünglich beantragten Beihilfe begrenzt. Ferner gibt es Kürzungsbestimmungen des Schadensausgleichsbetrags für den Fall, dass der Unternehmensverbund in den Wirtschaftsjahren in welche die Betrachtungszeiträumen fallen Jahresüberschüsse erwirtschaftet hat. 

Geltendmachung als De-minimis-Beihilfe

Wenn weder Verlustausgleich noch Schadensausgleich geltend gemacht werden können, kann eine Geltendmachung als De-minimis-Beihilfe in Betracht gezogen werden. Diese ist nur dann und in der Höhe möglich, als der De-minimis-Rahmen (idR EUR 300.000) in den letzten drei Steuerjahren (aktuelles und die jeweiligen zwei vorangegangenen Steuerjahre) vom Unternehmensverbund noch nicht voll ausgeschöpft wurden. Der De-minimis-Rahmen steht im Unternehmensverbund nur einmal zur Verfügung. 

Ablauf

Beihilfenempfänger:innen sind verpflichtet, proaktive zu handeln. Gemäß der Richtlinie haben die Beihilfenempfänger:innen selbständig zu überprüfen, ob sie einem Unternehmensverbund angehören, und ob gegebenenfalls im Unternehmensverbund eine Obergrenze überschritten wurde. Im Falle einer Überschreitung oder des Verdachts einer Überschreitung hat ein/e Beihilfenempfänger:in dies der Förderstelle samt der Höhe des errechneten Überschreitungsbetrages unverzüglich mitzuteilen.

Neben der vorgenannten Verpflichtung des Beihilfenempfängers/der Beihilfenempfängerin besteht auch für die Förderstelle eine Verpflichtung den Beihilfenempfänger/die Beihilfenempfängerin aufzufordern, die erforderlichen Informationen zu übermitteln. 

Liegt auf Basis der übermittelten Informationen eine Überschreitung einer Obergrenze vor, hat die Förderstelle die betroffenen Beihilfeempfänger:innen binnen einer angemessen Frist aufzufordern, einvernehmlich ein Unternehmen des Unternehmensverbundes als Adressaten des Unternehmensverbundes namhaft zu machen und den Adressaten binnen angemessener Frist zu einer Antragstellung auf Umwidmung einzuladen. Der Umwidmungsantrag ist in der Folge für den gesamten Unternehmensverbund durch den Adressaten einzubringen. Der Adressat hat von den restlichen Beihilfenempfänger:innen des Unternehmensverbundes bzw. im Falle der Umwidmung in einen Schaden von den bestimmten betroffenen Unternehmen eine Beitrittserklärung zum Antrag einzuholen mit welcher sie die Richtigkeit und Vollständigkeit der Erklärungen im Umwidmungsantrag bestätigen.

Der Umwidmungsantrag ist durch eine:n Steuerberater:in, Wirtschaftsprüfer:in oder Bilanzbuchhalter:in einzubringen.

Umwidmungsanträge können bis 31.10.2024 gestellt werden. Eine mehrmalige Beantragung ist unzulässig.

Für die Umwidmung von Beihilfen auf Basis der Obergrenzenrichtlinie ist die Finanzverwaltung – in Rechtsnachfolge der COFAG – zuständig. 

Sofern kein Umwidmungsantrag gestellt wird bzw. insoweit eine Umwidmung der Höhe nach nicht möglich ist, werden die übersteigenden Beihilfen zurückgefordert bzw. sind diese zurückzuzahlen. Die Rückzahlungs- und Rückforderungsbeträge werden ab dem Tag der ursprünglichen Auszahlung der Beihilfe bis zum Rückzahlungszeitpunkt verzinst.

Bestätigungen und Verpflichtungen des/der Antragsteller:in

Der/die Antragsteller:in geht mit Stellung eines Umwidmungsantrages umfangreiche Verpflichtungen ein und gibt zahlreiche Bestätigungen ab. Insbesondere haben Antragsteller:innen unter anderem folgendes zu bestätigen:

  • dass die Verluste bzw. Schäden ausschließlich durch die COVID-19-Krise verursacht wurden;
  • dass im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten die Vergütungen eines Antragstellers, eines Beihilfenempfängers und eines bestimmten betroffenen Unternehmens bzw. deren Organe; Mitarbeiter und wesentlichen Erfüllungsgehilfen so bemessen wurden, dass diese keine unangemessenen Entgelte darstellen, insbesondere ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Obergrenzenrichtlinie (19. Juni 2024) bis zum 31. Dezember 2024 keine Bonuszahlungen an Vorstände oder Geschäftsführer in Höhe von mehr als 50 % ihrer Bonuszahlungen für das Wirtschaftsjahr 2019 ausbezahlt werden.

Fazit und Ausblick

Eine Umwidmung in einen Verlustersatz wird vielfach nicht möglich sein. Ferner ist eine Umwidmung in eine De-minimis-Beihilfe im Unternehmensverbund in der Regel betraglich nicht zielführen. Es bleibt somit häufig nur die Umwidmung in einen Schaden, wofür es jedoch wie erwartet strenge Anforderungen an die Betroffenheit gibt. In diesem Zusammenhang bleibt abzuwarten, ob der Schaden der beispielsweise für ein betroffenes Unternehmen des Unternehmensverbundes in ausreichender Höhe ermittelt wird auch für die Umwidmung von Überschreitungsbeträgen anderer Unternehmen des Unternehmensverbundes genutzt werden kann. Anderenfalls ist aus unserer Sicht mit umfangreichen Rückzahlungen bereits ausbezahlter Covid-19-Beihilfen zu rechnen bzw. sind noch nicht ausbezahlte Covid-19-Beihilfen endgültig abzuschreiben. 

Viele Fragen zu der Obergrenzenrichtlinie sind aktuell noch offen. In diesem Zusammenhang ist die Kammer der Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen bemüht im Dialog mit der Finanzverwaltung eine Klarstellung zu erreichen und an den bewährten FAQs mitzuwirken. Die jeweils aktuelle Informationen zur Obergrenzenrichtlinie finden sie hier: Obergrenzenrichtlinien (bmf.gv.at)