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Umsatzsteuerschuld kraft Rechnungslegung gegenüber Endverbraucher:innen entschärft

Von:
René Adam
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Der EuGH hat in einem Urteil zum Thema „Umsatzsteuerschuld kraft Rechnungslegung“ (08.12.2022, Rs C-378/21, P-GmbH) eine wesentliche Entschärfung der bisherigen Rechtslage zum Ausdruck gebracht, sofern eine Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen ist.

Ausgangsfall

Im konkreten Fall wurden von einer in Österreich ansässigen GmbH, die einen Indoor-Spielplatz betreibt, im Streitjahr 2019 Rechnungen mit zu hoch ausgewiesener Umsatzsteuer an Endverbraucher:innen ausgestellt. Die Leistungen wurden irrtümlich dem Normalsteuersatz von 20% unterworfen.

Tatsächlich unterlagen diese Leistungen einem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 13%. Die daraus resultierende zu hohe Umsatzsteuer wurde von der GmbH zunächst in voller Höhe an das Finanzamt abgeführt, wurde aber nach Erkennen ihres Irrtums und Berichtigung in der Umsatzsteuererklärung des betreffenden Jahres bereits wieder von der GmbH zurückgefordert.

 Die Festsetzung der entstandenen Umsatzsteuer-Gutschrift wurde vom Finanzamt mit der Begründung verweigert, dass die GmbH nach nationalem Recht (§ 11 Abs 12 UStG) verpflichtet sei, die höhere Umsatzsteuer zu entrichten und die Festsetzung bzw Rückzahlung der Gutschrift erst nach Berichtigung der Rechnungen erfolgen könne. Zudem würde die GmbH durch die Gutschrift ungerechtfertigt bereichert werden, da die Endverbraucher:innen die zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer getragen hätten.

 

Entscheidung des EuGH

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wendete sich das BFG an den EuGH. Das Urteil des EuGH erfolgte unter der Prämisse, dass es sich bei den Leistungsempfänger:innen ausschließlich um nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher:innen handelt.

Sinn und Zweck der unionsrechtlichen Regelung (Art. 203 MwStSystRL) zur Steuerschuld kraft Rechnungslegung ist es einer Gefährdung des Steueraufkommens entgegenzuwirken. Dieses Risiko wäre nur gegeben, wenn neben einer zu Unrecht in Rechnung gestellten Umsatzsteuer auch ein Vorsteuerabzug von den Rechnungsempfänger:innen geltend gemacht werden könnte. Darauf aufbauend verneinte der EUGH das Entstehen einer Steuerschuld kraft Rechnungslegung für den vorliegenden Fall.

Mit dem Vorwurf der Bereicherung durch die Umsatzsteuergutschrift hat sich der EuGH in seiner Entscheidung nicht befasst. Das BFG bestätigte das Urteil des EuGH und die Festsetzung bzw Rückzahlung der Umsatzsteuer-Gutschrift wurde gewährt.

 

Auswirkung auf nationales Recht

Aufgrund des Urteils des EuGH hat der nationale Gesetzgeber nunmehr im Rahmen des AbgÄG 2023 die Regelungen über das Entstehen der Umsatzsteuerschuld kraft Rechnung im § 11 Abs 12 UStG angepasst: Es ist jetzt ausdrücklich normiert, dass eine nach dem UStG nicht geschuldete aber in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer dann keine (zusätzliche) Steuerschuld auslöst, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, weil die Lieferung oder sonstige Leistung ausschließlich an Endverbraucher:innen erbracht wurde, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind.

 

Fazit

  • Werden Lieferungen oder sonstige Leistungen an Endverbraucher:innen erbracht (und ist damit eine Gefährdung des Steueraufkommens ausgeschlossen) kann künftig eine Rechnungsberichtigung trotz Inrechnungstellung eines unrichtigen (zu hohen) Umsatzsteuersatzes grundsätzlich unterbleiben. Für die Praxis stellt dies eine enorme Erleichterung dar, da insbesondere bei B2C-Kleinbetragsrechnungen eine Berichtigung besonders schwierig umsetzbar wäre (zB aufgrund fehlender Identität der Kund:innen) bzw mit einem hohen Aufwand verbunden wäre.
  • Wird eine unrichtige (zu hohe) Umsatzsteuer an Endverbraucher: innen in Rechnung gestellt bzw gemeldet/abgeführt, dieser Umstand aber erst zu einem späteren Zeitpunkt erkannt, ist künftig eine Korrektur der Umsatzsteuerschuld mangels Entstehung der Steuerschuld mit Wirkung „ex tunc“ möglich (im Gegensatz zu den regulären Rechnungsberichtigungen, die mit Wirkung „ex nunc“ erfolgen). Voraussetzung dafür ist laut Generalanwältin wohl das Vorliegen von Gutgläubigkeit.
  • Offen bleibt, wie vorzugehen ist, wenn Lieferungen oder sonstige Leistungen sowohl an Unternehmer als auch an Nichtunternehmer erbracht werden. Die Generalanwältin hätte für einen derartigen Fall eine Aufteilung im Schätzungswege vorgeschlagen (worauf der EuGH jedoch nicht Bezug genommen hat).

 

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