Die Digitalisierung der Wirtschaft bringt für das internationale Steuersystem Herausforderungen mit sich. Während das geltende Steuerrecht von physischen Anknüpfungspunkten ausgeht, verschieben internationale Digitalkonzerne seit einiger Zeit siginifikante Gewinne in Niedrigsteuerläder. 

Um dies zu verhindern, hat das Inclusive Framework von Base Erosion and Profit Shifting, kurz BEPS, ein Modell entwickelt, das auf zwei Säulen basiert. Übergeordnetes Ziel ist es, den internationalen Steuerwettbewerb zu vermeiden. Das Zwei-Säulen-Modell besteht aus den beiden Säulen "Pillar 1" und "Pillar 2". Pillar 1 sieht eine Neuzuordnung von Besteuerungsrechten zu Marktstaaten vor, während Pillar 2 die Einführung einer efektiven Mindestbesteuerung  für große multinationale Unternehmen sicherstellen soll. Am 8. Oktober 2023 haben sich die Mitgliedsstaaten des Inclusive Framework on BEPS mit breiter Zustimmung auf die Einführung einer globalen Mindeststeuer von 15 % unter Pillar 2 geeinigt. Dies wird nachhaltige Veränderungen im internationale Steuersystem, insbesondere für große, international tätige Unternehmen mit sich bringen.

Anwendungsbereich von Pillar 2

Hintergrund und EU Einigung zur Mindestbesteuerung

Am 8. Oktober 2021 haben sich die Mitgliedsstaaten des Inclusive Framework on Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) auf die Einführung einer Mindestbesteuerung von 15% geeinigt. Die OECD hat bereits im Dezember 2021 entsprechende Modellregelungen sowie im März 2022 eine Kommentierung dieser Regelungen veröffentlicht. Die EU hat aufbauend auf den Modellregelungen der OECD einen Richtlinienentwurf Ende 2021 vorgestellt.

Die Einführung der Mindestbesteuerung war grundsätzlich zum 1. Januar 2023 geplant. Da eine Einigung auf EU-Ebene erst im Dezember 2022 erzielt werden konnte, wird die Umsetzung in nationales Recht im Jahr 2023 erfolgen, sodass die Regelungen ab dem Jahr 2024 in Kraft treten werden.  Am 3. September 2022 hatte die deutsche Bundesregierung das dritte Entlastungspaket bekannt gegeben, in dem neben anderen Maßnahmen beschlossen wurde, mit der Umsetzung von Pillar 2 national zu beginnen. Auch auf nationaler Ebene sollten die Regelungen ab dem Jahr 2024 in Kraft treten. Vor dem Hintergrund der Einigung auf EU-Ebene wird nun der EU-Richtlinienentwurf maßgeblich für die Implementierung in Deutschland sein. Wegen der geplanten zeitnahen Einführung von Pillar 2 ist es entscheidend für Unternehmen zu analysieren, inwiefern sie von Pillar 2 betroffen sein werden.

Am 12. Dezember 2022 hat der Europäische Rat bekannt gegeben, dass sich die Mitgliedsstaaten darauf geeinigt haben, Pillar 2 auf europäischer Ebene umzusetzen. Ein Jahr nach Veröffentlichung des EU-Richtlinienentwurfs zur Mindestbesteuerung konnte diese Einigung nun erzielt werden. Bislang war die erforderliche Einstimmigkeit der Mitgliedsstaaten zur Umsetzung der Richtlinie zunächst an Polen und zuletzt an Ungarn gescheitert. Die Richtlinie der EU muss nun bis Ende 2023 in das nationale Recht der Mitgliedsstaaten umgesetzt werden, sodass die Regelungen ab 2024 in Kraft treten können. Da nun Sicherheit besteht, dass eine Umsetzung in der EU erfolgen wird, gilt es für Unternehmen zu analysieren, inwiefern sie von den Regelungen betroffen sind und welche Maßnahmen nun ergriffen werden müssen.

Im Fokus stehende und ausgenommene Unternehmen

In Anlehnung an die durch BEPS eingeführte länderbezogene Berichterstattung (Country-by-Country Reporting) fallen im Sinne der OECD und der EU-Richtlinie Unternehmensgruppen mit konsolidiertem Konzernumsatz von mindestens 750 Mio. Euro in zwei der vorangegangenen vier Jahre in den Anwendungsbereich der Regelungen. Abweichend von der OECD sieht die EU-Richtlinie auch den persönlichen Anwendungsbereich eröffnet, wenn die Unternehmensgruppe nur in einem Land statt in mindestens zwei Ländern ansässig ist.

Jedoch wird diese EU-Sonderregelung bei Unternehmen mit mehr als 750 Mio. Euro konsolidiertem Konzernumsatz voraussichtlich nur wenige Unternehmensgruppen betreffen und dient mehr der Sicherstellung von EU-Konformität hinsichtlich der Gleichbehandlung von In- und Auslandssachverhalten.

Ausgenommen von der Anwendung der Mindestbesteuerung sind u.a. staatliche Rechtsträger, internationale Organisationen sowie Investmentgesellschaften und Immobilieninvestmentvehikel, die die oberste Muttergesellschaft der Gruppe sind.

Allerdings gilt es hier neben der persönlichen Berechtigung zur Anwendung dieser Ausnahmeregelung auch die Auswirkungen und eventuell dennoch bestehenden Erklärungspflichten für die übrigen Konzerngesellschaften zu überprüfen.

Safe Harbour Regeln der OECD

Am 20. Dezember 2022 hat die OECD, rund ein Jahr nach Veröffentlichung der Modellregelungen, Regelungen zu „Safe Harbours and Penalty Relief“ neben zwei weiteren Konsultationsdokumenten veröffentlicht. Unter den Safe Harbours werden Erleichterungsregeln verstanden, die für Wirtschaftsjahre innerhalb des Übergangszeitraums 2024 bis 2026 in Anspruch genommen werden können. Die Entwicklung permanenter Erleichterungsregeln wird zudem in Aussicht gestellt. Kann für eine Jurisdiktion ein Safe Harbour beansprucht werden, wird die Top-up Tax für diese Jurisdiktion auf null reduziert. Außerdem muss der GloBE Information Return mit weniger Angaben abgegeben werden.

Für die Inanspruchnahme der Safe Harbour Regeln muss einer von drei möglichen Tests erfüllt werden. Für die dafür erforderlichen Berechnungen darf auf Daten aus dem Country-by-Country Reporting (CbCR) und auf in der Rechnungslegung vorhandenen Daten zurückgegriffen werden, wodurch die Berechnungen und der Nachweis der Safe Harbours im abzugebenden GloBE Information Return erheblich vereinfacht werden. Zu beachten ist, dass die Regelungen einen „once out, always out“ Ansatz vorsehen. Das heißt, wenn eine Jurisdiktion in einem Jahr keinen Gebrauch von den Safe Harbour Regeln macht, obwohl sie in den Anwendungsbereich der GloBE-Regelungen fällt, kann sie auch in den folgenden Jahren keine der Erleichterungsregeln in Anspruch nehmen.

  1. De Minimis Test
    Der Umsatz aller Geschäftseinheiten in der Jurisdiktion beträgt weniger als 10 Mio. Euro und der Gewinn ist geringer als 1 Mio. Euro im betreffenden Jahr. Der Umsatz und Gewinn ermitteln sich dabei wiederum aus dem CbCR, wodurch die Durchführung dieses Tests wenig aufwendig ist, jedoch auch nur für Jurisdiktionen mit kleineren Einheiten relevant sein wird, wenn man in Betracht zieht, dass nur Unternehmensgruppen mit konsolidiertem Konzernumsatz von mindestens 750 Mio. Euro in den Anwendungsbereich von Pillar 2 fallen.

  2. Simplified Effective Tax Rate (ETR) Test
    Die ETR beträgt in der jeweiligen Jurisdiktion über 15 Prozent (in 2023 und 2024), über 16 Prozent (in 2025) und über 17 Prozent (in 2026). Die ETR kann dabei vereinfacht berechnet werden mittels der in der Rechnungslegung erfassten laufenden und auch latenten Steuern als Covered Taxes im Verhältnis zum Einkommen, das im Rahmen des CbCR ermittelt worden ist. Anpassungen sind nur in wenigen Fällen vorzunehmen.

    Die vereinfachte Berechnung der ETR ist von den drei möglichen Tests derjenige, der der aus den Modellregelungen bekannten Systematik am nächsten kommt.

  3. Routine Profits Test
    Der Gewinn vor Steuern laut CbCR ist in der jeweiligen Jurisdiktion niedriger als der Wert, der sich aus der Berechnung der substanzbasierten Freistellung von Erträgen gemäß den Modellregelungen der OECD (Art. 5.3) ergibt. Dieser Wert setzt sich zusammen aus fünf Prozent der berücksichtigungsfähigen Lohnkosten und fünf Prozent der Buchwerte von berücksichtigungsfähigen materiellen Vermögensgegenständen, wobei für einen Übergangszeitraum zunächst höhere Prozentsätze von zehn und acht Prozent anzuwenden sind.

    Dieser Test ist besonders für Verlustgesellschaften geeignet, da hier kein Gewinn vor Steuern ausgewiesen wird und somit über diesen Test die Erleichterungen der Safe Harbour Regeln immer in Anspruch genommen werden können. Weiterhin kann dieser Test für produzierende Einheiten relevant sein, wobei die Berechnung des Betrags der substanzbasierten Freistellung bei solchen Gesellschaften mit einem gewissen Aufwand verbunden sein wird.
Ermittlung der Effective Tax Rate und Top-up Tax

Jurisdictional Blending

Grundsätzlich werden die Covered Taxes und das GloBE-Einkommen auf Ebene jeder einzubeziehenden Konzerngesellschaft und Betriebsstätte (sogenannte Constituent Entities) eines Landes ermittelt. Für die Berechnung der Effective Tax Rate (ETR) ist dann eine landesbezogene Betrachtung erforderlich. Die Covered Taxes und das GloBE-Einkommen der Constituent Entities eines Landes werden daher für die Berechnung der ETR aggregiert. Dadurch ist ein Ausgleich, das sogenannte „Jurisdictional Blending“, zwischen einzelnen niedrig besteuerten Konzerngesellschaften eines Landes durch andere hoch besteuerte Gesellschaften im selben Land möglich. Nicht möglich ist hingegen die Verrechnung zwischen hoch und niedrig besteuerten Konzerngesellschaften verschiedener Jurisdiktionen. Entscheidend für die Entstehung einer Top-up Tax aufgrund einer niedrigen Besteuerung in einem Land ist, ob die ETR des Landes insgesamt geringer als 15% ist. Die niedrige Besteuerung einzelner Constituent Entities muss aufgrund des Jurisdictional Blending dafür nicht unbedingt ausschlaggebend sein.

Herausforderung Datenbeschaffung

Die Berechnung der Effective Tax Rate (ETR) erfordert, dass für jede einzubeziehende Konzerngesellschaft und Betriebsstätte sowohl zur Ermittlung der Covered Taxes als auch zur Ermittlung des GloBE-Einkommens zahlreiche Daten vorhanden sind. Denn der Ausgangspunkt der Berechnungen der ETR ist zwar die sogenannte HB 2, also die in den Konzernabschluss einfließenden Daten der Einheit vor Konsolidierung, aber es sind noch zahlreiche Anpassungen zu den erfassten Steuern und dem sich ergebenden Ergebnis vorzunehmen. Die für diese Anpassungen erforderlichen Daten betreffen unterschiedliche Bereiche wie z.B. Veräußerungsgewinne, Ergebniszuordnung bei Personengesellschaften und Betriebsstätten und Dividenden. Die Daten werden in der Regel nicht komprimiert im bisher verwendetem Rechnungslegungssystem, Tax Reporting oder Country-by-Country Reporting für alle relevanten Gesellschaften abrufbar sein. Zudem ist für Betriebsstätten und nicht konsolidierte Konzerneinheiten die Datenlage bereits aufgrund der nicht vorhandenen HB 2 schwierig. Auch die Relevanz latenter Steuern auf Ebene der einzelnen Konzerngesellschaften wird Unternehmen bei der Ermittlung der ETR vor Herausforderungen stellen.

Unternehmen sollten frühzeitig ermitteln, welche Daten bei welcher Constituent Entity in welchem System vorhanden sind und welche Daten noch beschafft werden müssen. Dabei sollte auch geprüft werden, wie eine Datenerhebung möglichst effizient erfolgen kann. Während in vielen Fällen Informationen über zusätzliche Konten im ERP System oder durch systematisch angelegte Reports eingeholt werden können, müssen andere Daten u.U. durch gezielte Fragebögen einzeln abgefragt werden. Um diese Informationen rechtzeitig vor Implementierungsbeginn einholen und langfristig ein GloBE-Tax Accounting aufbauen zu können, ist ein frühzeitiges Handeln dringend empfohlen. Denn auch wenn insgesamt eine ETR von 15% oder mehr in einem Land erreicht wird, muss nach derzeitigem Stand des Entwurfs der EU-Richtline und der OECD-Mustervorschriften eine GloBE-Erklärung abgegeben werden. Wir unterstützen Sie gerne bei der Ermittlung und Strukturierung der relevanten vorhandenen und noch fehlenden Daten.

Besondere Bedeutung latenter Steuern

Bei der Berechnung der Effective Tax Rate (ETR) werden im Rahmen der Ermittlung der Covered Taxes auch latente Steuern berücksichtigt. Bei der Berechnung der latenten Steuern kann maximal ein Steuersatz von 15% verwendet werden. Zudem sind auch bei den latenten Steuern Anpassungen vorzunehmen, da beispielsweise auf unsichere Steuerpositionen oder Ausschüttungen keine latenten Steuern für GloBE-Zwecke berücksichtigt werden dürfen. Soweit latente Steuern in den Covered Taxes berücksichtigt wurden, muss sichergestellt werden, dass diese latente Steuer innerhalb von 5 Jahre realisiert wird. Anderenfalls muss die latente Steuer für GloBE-Zwecke rückwirkend aufgelöst werden.

Dies führt faktisch zu einem Zwang die latenten Steuern auf Ebene des einzelnen Wirtschaftsguts zu berechnen. Auch die steuerlichen Auswirkungen von Verlusten können durch die Berücksichtigung latenter Steuern abgebildet werden. Die Komplexität der Datenerhebung und Erstellung der GloBE-Erklärung wird durch die Regelungen zu latenten Steuern erheblich erhöht. Auch bei Unternehmen, die grundsätzlich einem lokalen Steuersatz von über 15% unterliegen, kann die Berücksichtigung latenter Steuern zu erheblichen Verwerfungen im Rahmen der Ermittlung der ETR führen. Daher ist eine frühzeitige Untersuchung der Pillar 2 Regelungen bezogen auf den eigenen Konzern erforderlich, um Länder und Konzerneinheiten, die gegebenenfalls unerwartet eine ETR von weniger als 15% aufweisen, zu identifizieren und Handlungsmöglichkeiten zu erörtern. Gerne unterstützen wir Sie bei dieser Betroffenheitsanalyse.

Ausblick

Derzeit ist davon auszugehen, dass ein Entwurf zur nationalen Umsetzung Anfang des Jahres 2023 vorliegen wird. In diesem Entwurf werden wahrscheinlich auch Safe Harbour Regeln enthalten sein, wobei die konkrete Ausgestaltung im Detail abzuwarten bleibt. Aufgrund der sehr hohen Komplexität und des knappen Zeitraums bis zur Anwendbarkeit der Regelungen gilt es für Unternehmen zeitnah Sicherheit bezüglich ihres persönlichen Anwendungsbereichs zu erlangen, um mögliche weitere Schritte analysieren und einleiten zu können. Dies beinhaltet neben einer vorangestellten Prüfung welche Unternehmenseinheiten, welche Rolle im System von Pillar 2 einnehmen und welche Besonderheiten gegebenenfalls aufgrund der Unternehmensstruktur zu beachten sind, insbesondere eine Prüfung für welche Jurisdiktionen der Konzern die Safe Harbour Regeln in Anspruch nehmen kann. Des Weiteren sind insbesondere Fragen der Datenverfügbarkeit zu klären. Unsere Experten unterstützen Sie hierbei gerne, sprechen Sie uns an!

"Die Anforderungen von Pillar 2 stellen sowohl aus steuerlicher als auch aus technischer Perspektive erhebliche Herausforderungen für Unternehmen dar. Gerade die Bereiche der Datenbeschaffung, der Prozessautomatisierung und der Integration von Steuern in die Ressourcenplanung erfordern ein besonderes Augenmerk, wobei eine frühzeitige Planung einen entscheidenden Erfolgsfaktor aus Unternehmensseite darstellt.“ 
Raphael Holzinger, Partner und Head of Tax bei Grant Thornton in Austria

Ihre Ansprechperson

Dr. Raphael Holzinger ist Partner bei Grant Thornton Austria und leitet den Gesamtbereich Tax. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in der nationalen und der internationalen steuerlichen Gestaltungs- und Transaktionsberatung, dabei insbesondere in den Bereichen Konzernsteuerrecht, internationales Steuerrecht und Transfer Pricing. Er berät seine Klienten auch betreffend Auskunftsbescheide und begleitet in Betriebsprüfungs- und Rechtsmittelverfahren sowie Verständigungs- und Schiedsverfahren.
Dr. Raphael Holzinger
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Partner und Head of Tax