Hinweisgebersysteme

Kann die interne Stelle eines Hinweisgebersystems durch die Geschäftsführung betrieben werden?

Mag. Georg H. Jeitler, BA MBA CMC
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Mit dem österreichischen HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG) sind Unternehmen und der öffentliche Sektor ab 50 Beschäftigten verpflichtet, ein Hinweisgebersystem einzurichten. Eine Frage, die sich dabei oft stellt, ist, ob die Geschäftsführung die Aufgaben der sogenannten "internen Stelle" übernehmen kann.

Das HSchG sieht vor, dass die interne Stelle „mit den zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen finanziellen und personellen Mitteln“ ausgestattet werden muss (§ 13 Abs 1 HSchG) und dass diese „unparteilich und unvoreingenommen vorzugehen“ hat. Zudem sind „Vorkehrungen für eine unbefangene Entgegennahme und Behandlung von Hinweisen zu treffen“ (§ 13 Abs 2 HSchG).

Diese Anforderungen des Gesetzes stellen erstmalig eine die Wirtschaft grundsätzlich treffende faktische Verpflichtung zum Betrieb einer unabhängigen Compliance-Struktur dar.

Die Übernahme der Aufgaben der „internen Stelle“ durch die Geschäftsführung oder den Vorstand ist zwar nicht explizit untersagt, wird jedoch im Regelfall den Anforderungen des Gesetzes zu Unparteilichkeit, Unvoreingenommenheit und Unbefangenheit widersprechen, sofern es sich nicht um einen Chief Compliance Officer auf Geschäftsführungs- oder Vorstandsebene handelt. Zudem wird in vielen Fällen die fachliche Spezialisierung fehlen, die sich aus den Bestimmungen ergibt, nach denen eine zur Aufgabenerfüllung geeignete Struktur vorzusehen ist.

In typischen KMU ist vor allem davon auszugehen, dass in der Mehrheit der Meldungen eine Form der persönlichen Betroffenheit der Geschäftsführung gegeben ist, entweder durch Mit- oder Endverantwortung, persönliches Getäuschtwordensein bzw. Enttäuschung oder durch aus dem Vorfall entstehende persönliche Nachteile. Parteilichkeit für das Unternehmen ergibt sich zudem bereits aus der Treuepflicht der Geschäftsführerin bzw. des Geschäftsführers bzw. aus einer etwaigen gleichzeitigen Gesellschafterfunktion.

Darüber hinaus läuft die Übernahme der Funktion der „internen Stelle“ durch Organe der Gesellschaft streng genommen dem Schutzzweck des Gesetzes zuwider: Das HSchG zielt darauf ab, Hinweisgeber:innen hinsichtlich der Offenlegung ihrer Identität und vor Repressalien zu schützen. Das Gesetz sieht hierfür mit der „interne Stelle“ eine eigene Ebene vor, die zur Wahrung der Vertraulichkeit verpflichtet ist. Wird nun diese in Personalidentität z.B. mit der Geschäftsführung betrieben, fällt die vorgesehene Schutzebene weg und Hinweisgeber:innen werden direkt jener Ebene ausgesetzt, die unmittelbar Repressalien setzen kann.

Es ist davon auszugehen, dass eine in Personalunion mit der Geschäftsführung betriebene gesamthafte Compliance-Funktion aufgrund mangelnder Unabhängigkeit als nicht lege artis angesehen wird, was bei einem ernsthaften Vorfall zu weitergehenden Risken für das Unternehmen und seine Organe führen kann: Einerseits könnte sich im Lichte rezenterer (deutscher) Rechtsprechung zukünftig eine persönliche Geschäftsführerhaftung aufgrund eines nicht ordnungsgemäß betriebenen Compliance-Systems ergeben, andererseits können erhöhte Strafen nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG, „Unternehmensstrafrecht“) zu erwarten sein, wenn das Unternehmen rund um einen Vorfall mit zur Verantwortung gezogen wird.

Es ist daher ratsam, die Aufgaben der internen Stelle an eine unabhängige Einheit zu übertragen oder an einen externen Dienstleister auszulagern. Dies gewährleistet nicht nur die Einhaltung des HSchG, sondern stärkt auch das Vertrauen der Mitarbeiter:innen in das Hinweisgebersystem und minimiert potenzielle Risiken für das Unternehmen. Nicht vergessen werden sollte dabei, dass das größte Risiko für ein Unternehmen eine Hinweisgabe ist, die nicht intern, sondern extern erfolgt.

 

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