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Rechtswidrigkeit von Kappungsklauseln in Gleitzeitvereinbarungen

In einigen Unternehmen ist es üblich, Gleitzeitvereinbarungen mit dem Kappen von Stunden über einem gewissen Ausmaß zu verbinden. Der Oberste Gerichtshof hat nun in einer aktuellen Entscheidung klargestellt, dass Klauseln, die den Verfall oder das unbezahlte Streichen der nicht übertragbaren Zeitguthaben bei Ende der Gleitzeitperiode beinhalten, arbeitsrechtlich unzulässig sind.

Der OGH hat mit der Entscheidung 9 ObA 75/19y vom 30.10.2019 bestätigt, dass eine Klausel in einer Gleitzeitregelung, die ein Gleitzeitguthaben grundsätzlich für verfallen erklärt, soweit dieses über den in der Vereinbarung geregelten Saldo gelegen ist, sittenwidrig und somit nichtig ist.

 

Zugrundeliegender Sachverhalt

Im vorliegenden Fall sieht die strittige Klausel in der Gleitzeit-Betriebsvereinbarung vor, dass die nicht übertragbaren Gutstunden der Arbeitnehmer (d. h. Zeitguthaben über dem festgelegten Gleitzeitsaldo) am Ende der nächsten Gleitzeitperiode verfallen, sofern deren rechtzeitiger Verbrauch möglich und dem jeweiligen Mitarbeiter zumutbar gewesen ist. Gegen diese Kappungsklausel ging der Zentralbetriebsrat vor und bekam Recht.

Der OGH bestätigt nun die bereits früher ergangene Entscheidung des OLG Wien (9 Ra 1/19m), dass eine solche Klausel unzulässig ist. Dies liegt an der fehlenden Differenzierung in der Betriebsvereinbarung. Demnach sei darin zwingend zu unterscheiden, ob Zeitguthaben über dem Gleitzeitsaldo auf Arbeitsleistungen zurückzuführen sind, die dem Arbeitgeber vonseiten des Arbeitnehmers aufgedrängt wurden, oder ob das Zeitguthaben arbeitgeberseitig veranlasst oder zumindest entgegengenommen wurde. Die Betriebsvereinbarung normierte den Verfall von Zeitguthaben ohne Differenzierung nach der Zurechenbarkeit des Entstehens, was sittenwidrig ist.

Um der Gefahr eines Verfalls von Zeitguthaben bei undifferenzierter Vorgehensweise vorzubeugen, bestand für den Arbeitgeber die Pflicht dem Arbeitnehmer aufzutragen, keine weiteren Salden aufzubauen, wenn die Leistung dieser Stunden nicht erforderlich ist. Dieser Kontrollpflicht kam der Arbeitgeber nicht nach.

 

Anspruch auf Bezahlung von Überstunden

Hintergrund der OGH-Entscheidung ist, dass hinter jedem Zeitguthaben eine bereits geleistete Arbeitsstunde steht, die grundsätzlich auch entlohnt werden muss. Denn es entspricht dem Grundsatz im Arbeitsvertrag, dass die vom Arbeitnehmer erbrachte Leistung der Entgeltpflicht unterliegt, sofern nicht Unentgeltlichkeit vereinbart wurde. Soll eine Arbeitsstunde verfallen, so würde sie weder als geleistet gelten, noch einen Entlohnungsanspruch begründen.

Des Weiteren war in der strittigen Betriebsvereinbarung problematisch, dass nur „ausdrücklich angeordnete“ Arbeitsleistungen außerhalb der normalen Arbeitszeit als Überstunden gewertet wurden. In diesem Zusammenhang geleistete Arbeitsstunden wurden vom Arbeitgeber nicht vergütet. Der OGH erachtete diese Einschränkung von Überstunden als rechtswidrig.

Ein Anspruch auf Bezahlung von Überstunden besteht grundsätzlich nicht nur dann, wenn diese vom Arbeitgeber ausdrücklich oder konkludent angeordnet werden, sondern auch dann, wenn vom Arbeitgeber Arbeitsleistungen verlangt werden, die in der normalen Arbeitszeit nicht erledigt werden können. Letztlich kann die Verpflichtung zur Bezahlung auch vorliegen, wenn der Arbeitgeber zusätzliche Arbeitsleistung bloß duldet und entgegennimmt.

Die Aufforderung des Arbeitgebers, keine Überstunden zu leisten oder die Untersagung von solchen, ohne dass er gleichzeitig entlastende organisatorische Maßnahmen ergreift, befreien ihn nicht von der Leistung von Überstundenentgelten. Wenn die Erbringung der Überstundenleistung nach den obgenannten Grundsätzen erfolgt ist, gebührt dem Arbeitnehmer auch zwingend eine Überstundenabgeltung.

 

Fazit. Nur, wenn der Arbeitnehmer einer Weisung nicht nachkommt, Zeitguthaben rechtzeitig vor Ende der Gleitzeitperiode durch Zeitausgleich abzubauen, und die geleisteten Stunden auch nicht aufgrund der aufgetragenen Arbeitsmenge erforderlich waren, ist eine gesonderte Entgeltpflicht zu verneinen.

Für Arbeitgeber stellt sich nun die Problematik, ob bei Vorliegen solcher Kappungsklauseln rückwirkende Entlohnungsnachforderungen erhoben werden bzw. es aufgrund von Lohn- und Sozialdumpingverstößen zu Verwaltungsstrafen kommen kann, insofern man in der Vergangenheit solche Gutstunden für verfallen erklärt bzw. Überstunden nicht abgegolten hat.

Jedenfalls ist bei Vorliegen von Kappungsklauseln anzuraten, im Betrieb ein Frühwarnsystem einzurichten, welches betroffene Arbeitnehmer zeitnah über den Abbau von Zeitsalden informiert und die verstärkte Einbindung der Führungskräfte in die Überwachung derartiger, vom Verfall bedrohter Arbeitsstunden.

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Sie haben noch Fragen zu Gleitzeitvereinbarungen? Unsere Payroll-Expertin Judith Schützinger unterstützt Sie gerne.

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