article banner
IBR

Studie: Frauenanteil in Führungspositionen stagniert weltweit

EU-weit wurden bei der Geschlechtergleichheit in Führungspositionen Fortschritte gemacht, global gesehen ist der Frauenanteil in Führungspositionen aber gleichgeblieben. Das ist das Ergebnis der im zweiten Halbjahr 2019 durchgeführten und nun veröffentlichten internationalen Studie „Women in Business 2020: Putting the Blueprint into action“. Seit mehr als 15 Jahren untersucht Grant Thornton die Geschlechtervielfalt im oberen Management und ermittelt jährlich den Anteil weiblicher Führungskräfte bei mittelständischen Unternehmen in den wichtigsten Industrienationen weltweit. Zudem wird regelmäßig beleuchtet, welche Maßnahmen die Unternehmen treffen, um mehr Führungspositionen mit Frauen zu besetzen.

Weltweit beträgt der Frauenanteil in Führungspositionen unverändert 29% (2018: 29%), in der Europäischen Union liegt er gleichauf mit Deutschland bei 30% (2018: 28%). EU-weit ist der Anteil von Unternehmen, die mindestens eine Frau in ihrem Vorstand oder in ihrer Geschäftsführung beschäftigen mit 84 % (2018: 84 %) gleichgeblieben, liegt aber noch deutlich hinter dem globalen Ergebnis mit konstanten 87% (2018: 87%).

Grafik: Anteil von Frauen und Männern im oberen Management weltweit, 2011-2020

 

Österreich hinkt hinterher

Konkrete Zahlen für Österreich wurden in einer aktuellen Studie des Weltwirtschaftsforums veröffentlicht: Beim Anteil von Frauen in Top-Positionen in Unternehmen kommt Österreich auf einen Anteil von 19,2 Prozent. Generell steht Österreich bei der wirtschaftlichen Partizipation von Frauen weltweit nur auf Rang 86. Bei der Lohnschere – also der Bezahlung für gleiche Arbeit – landet Österreich laut dieser Studie sogar nur auf dem 108. Platz.

Gottwald Kranebitter, Managing Partner bei Grant Thornton Austria, sieht hier Handlungsbedarf: „Es geht darum, die tatsächlich gelebte Chancengleichheit zu fördern und strukturellen Diskriminierungsmechanismen auf allen Ebenen entgegenzuwirken. Wir wollen ein Umfeld schaffen, in dem allen – geschlechtsunabhängig – die gleichen Chancen zustehen. Gleichzeitig sollen Frauen dazu motiviert werden, sich aktiv für Führungspositionen zu bewerben.“

Das Engagement für Gendervielfalt in Führungspositionen hält sich in Österreich ebenfalls in Grenzen. Die erhobenen Daten der Studie des Weltwirtschaftsforums bestätigen, dass ein Großteil der Unternehmen in Österreich zu wenig Maßnahmen für mehr Geschlechtervielfalt auf Führungsebene ergreift und das wirtschaftliche Potenzial der Geschlechtergleichstellung (noch) nicht erkannt hat.

„Neue Formen des Arbeitens sind die Voraussetzung für mehr Gleichberechtigung. Meistens sind es Frauen, die unflexible Strukturen im Beruf mit den Bedürfnissen ihrer Familie unter einen Hut bringen müssen. Dadurch sind sie häufig gezwungen, Abstriche in ihrer Karriere hinzunehmen. Ein Entgegenkommen von Unternehmensseite in Bezug auf flexible Arbeitszeiten oder projektbezogenes Arbeiten würden Frauen die berufliche Selbstverwirklichung erleichtern“, betont Claudia Modarressy, Partnerin bei Grant Thornton Austria und Mutter zweier Kinder.

 

Welche Führungspositionen werden von Frauen bekleidet?

Im Jahr 2020 (20%) ist laut dem Women in Business Report gegenüber dem Jahr 2019 (15%) ein Anstieg bei den Frauen auf der Ebene der CEOs zu verzeichnen. Bei den CFOs hingegen, einer Position, in der Frauen traditionell stark vertreten sind, ist der Anteil jedoch rückläufig (2019: 34%, 2020: 30%). Möglicherweise spiegelt diese Verschiebung wieder, dass weibliche Führungskräfte innerhalb derselben Untergruppe aus der Position des CFO zum CEO befördert worden sind.

Frauen mit höherer Bildung haben am ehesten eine Führungsposition im Bereich HR inne (2020: 40%), hingegen sind lediglich 7% der Partner in Unternehmen weiblich.

 „Wenn sich die Führungsetage eines Unternehmens nur aus Mitarbeitern mit einem ähnlichen Hintergrund, einer ähnlichen Kultur und dem gleichen Geschlecht zusammensetzt, fehlen viele Blickwinkel. Interessen, Ziele sowie Antrieb und Motivation sind bei Frauen häufig anders gelagert als bei Männern. Mit Frauen in der Führungsebene ergeben sich neue Perspektiven und differenziertere Diskussionen, wovon sowohl Klienten als auch Mitarbeiter profitieren“, reflektiert Gerda Leimer, Partnerin bei Grant Thornton Austria.

Grafik: Anteil von Frauen in spezifischen Positionen, 2020 gegenüber 2019

 

Industrielle Schwellenländer sind Vorreiter, was die Geschlechterparität betrifft

Hervorzuheben ist die Entwicklung in den industriellen Schwellenländern: In Südafrika haben 97 % (2018: 90%) der befragten Unternehmen mindestens eine Frau in einer Führungsposition beschäftigt. Der Gesamtanteil weiblicher Führungskräfte in diesen Unternehmen beträgt sogar 40%. Damit hat sich ihr Wert im Vergleich zum Vorjahr signifikant erhöht. (2018: 24%).

Auf den Philippinen beschäftigen 93% (2018: 95%) der Studienteilnehmer mindestens eine Frau auf Führungsebene – deren Gesamtzahl liegt bei 43 Prozent (2018: 37%). Der Inselstaat hält dieses Niveau mit leichten Abweichungen schon über zehn Jahre.

In Indonesien haben 91% (2018: 98 %) der Unternehmen Frauen in Vorstand oder Geschäftsführung. Das zeigt sich auch am Gesamtanteil von 37% (2018: 32%).

Auch Mexiko hat – trotz starker kultureller Männerdominanz – mit 37 % Gesamtanteil (2018: 26 %) zugelegt. Dies verteilt sich auf 85% (2018: 81%) aller befragten Unternehmen, die mindestens eine weibliche Führungskraft angestellt haben.

Grafik: Die fünf wichtigsten Regionen nach dem Anteil von Frauen im oberen Management, 2020 gegenüber 2019

 

Asiatische Industrienationen bleiben eine Männerdomäne

Negativ hervorzuheben sind die asiatischen Industrienationen: In Japan sinkt der Gesamtanteil an Frauen in Führungspositionen auf nur 12 % (2018: 15 %).  In Südkorea beträgt er 17 Prozent. Hier hat sich die Anzahl von Frauen in Führungspositionen seit dem vergangenen Jahr fast halbiert (2018: 30%). China befindet sich mit 31 Prozent (2018: 28%) bei den Frauenanteilen im Mittelfeld.

Die Gleichstellung von Frauen und Männern in Führungspositionen bleibt auch im Jahr 2020 ein unerreichtes Ziel. Konzepte wie flexible Arbeitsmöglichkeiten oder Quotenregelungen werden nur sehr zögerlich umgesetzt. Die Unterstützung einer integrativen Kultur ist mit 34% die häufigste Initiative zur Verbesserung der Geschlechtervielfalt. Viele Maßnahmen haben seit 2019 an Popularität gewonnen, wobei das Belohnen von Führungskräften, wenn Fortschritte bei der Geschlechterparität erzielt wurden, im letzten Jahr am stärksten zugenommen hat. Trotzdem treffen 22% der Unternehmen weltweit immer noch keine Vorkehrungen, um Geschlechtervielfalt auf der Führungsebene zu gewährleisten.

Grafik: Die häufigsten Maßnahmen von Unternehmen, um Geschlechterparität zu erreichen

 

Den vollständigen Report von Grant Thornton international lesen Sie hier

Hinweis zur Lesart der Studie Women in Business: Die Jahreszahlen beziehen sich jeweils auf den Erhebungszeitraum des „Women in Business Reports“. Im Text werden zwei Werte zur Beschäftigung von Frauen auf Führungsebene mittelständischer Unternehmen zitiert:

  • Anteil der befragten Unternehmen, die mindestens eine weibliche Führungskraft beschäftigen.
  • Anteil von weiblichen Führungskräften im Verhältnis zur Gesamtzahl aller Führungskräfte in den befragten Unternehmen.

 

Über den Women in Business Report und den IBR

Der „Women in Business Report” ist Teil des „IBR-International Business Reports“ von Grant Thornton. Dieser befragt regelmäßig weltweit mehr als 10.000 mittelständische Unternehmen aus allen Branchen und Industriezweigen zu wirtschaftlichen Entwicklungen und Trends im Mittelstand.

Die Daten für die aktuelle Veröffentlichung basieren auf Interviews mit rund 4.800 Vorstandsvorsitzenden, Geschäftsführern oder anderen Führungskräften aus 32 Volkswirtschaften.

Für Fragen steht Ihnen unsere Expertin Claudia Modarressy gerne zur Verfügung.